Im September 2011 habe ich hier in meinem Blog meine Erinnerungen an das Festival 1974 mit Birth Control auf der Freilichtbühne geteilt. Leider hatte ich bisher kein Bildmaterial. Kürzlich stellte mir Alexander Bentheim einige historische Aufnahmen zur Verfügung (Herzlichen Dank!), die ich gerne zusammen mit dem aktualisierten damaligen Blogeintrag präsentiere.
Die Dachkonstruktion zeugt vom Engagement des Stadtjugendrings, der das Festival natürlich ehrenamtlich auf die Beine gestellt hat. Bemerkenswert ist auch das zeitgemäße Bühnenoutfit des Gitarristen Bruno Frenzel.
Und auf dem folgenden Foto erkennen wir mindestens zwei Obergrafschafter Zeitgenossen: Andreas K. steht vor der Bühne und Friedhelm S. war bereits damals ganz nah an der Technik dran. Wird noch jemand erkannt?
Das Festival 1973 auf der Freilichtbühne mit Atlantis und Earth & Fire war mit 2500 Besuchern ein guter Publikumserfolg. 1974 unterstützte auch die Stadt Bad Bentheim die Neuauflage. Die Stadt trug das finanzielle Risiko für das „Open-Air-Festival“ auf der Bühne, das dann als Veranstaltung im Rahmen der Deutsch-Niederländischen Kulturtage angekündigt wurde. Partner der Stadt war wieder der Stadtjugendring. Die Freilichtbühne war ebenso beteiligt wie 30 jugendliche Ordner des Jugendrings. 2000 Besucher wurden erwartet und Radio Hilversum, der NDR und das Fernsehen des WDR zeigten sich interessiert. Investiert wurden „8000 Mark zuzüglich Werbungskosten“, schrieben die GN einige Tage vor dem Festival.
Erste Panne vor der Veranstaltung: „Triumvirat“, eine hoch gehandelte Band, sagte kurzfristig ab und musste durch „Stormy Monday“ aus Mönchengladbach ersetzt werden. Top-Act war „Birth Control“. Dazu kamen „Alquin“ aus den Niederlanden (Deutsch-Niederländische Kulturtage) und „Preludium“. Ich besitze noch ein Exemplar des Plakates zum Festival 1974 mit einigen weiteren Detailinfos:
Peter Roeder begann seinen Festivalbericht am 9. September 74 mit dem Satz „Wie sehr eine Überdachung der Zuschauerränge auf der Freilichtbühne fehlt, trat am Sonnabend beim Open-Air-Festival deutlich zutage: Insgesamt etwa 800 überwiegend jugendliche Musikliebhaber verbrachten bei hartem Rock und teilweise strömenden Regen einen stürmischen Abend.“ Wieder einmal stand unser Nordatlantiklima einem rauschendem Festivalerlebnis im Wege. 1977 sollte es ähnlich sein, aber davon soll irgendwann hier im Bentheim-Blog die Rede sein. Die Veranstaltung wurde jedenfalls zum Zusatzgeschäft für die Stadt. Der Stadtjugendring ging leer aus und es sollte für lange Jahre die letzte Open-Air-Veranstaltung des Stadtjugendrings sein.
Tatsächlich kann ich mich noch an „Stormy Monday“ erinnern, die Blues-Rock spielten und nach meinem Empfinden gar nicht mal schlecht. Die GN schrieb:“ Die Band spielte lustlos. Auch die Mick-Jagger Masche des französischen Sängers Eric Bourgeois blieb farblos.“ Gelobt wurde in der Zeitung der Auftritt der Nordhorner Band „Preludium“. Ich kann mich nicht mehr erinnern und das lag nicht am „braunen Gerstensaft, der kistenweise auf die Freilichtbühne geschleppt wurde“ (GN vom 9.9.74).
Top-Act war „Birth Control“. Die Band trat erstmals 1968 in Erscheinung, und zwar mit dem Gründungsmitglied Hugo Egon Balder (späterer Moderator der Sendung mit den Länderpunkten und heutiger Gastronom in Hamburg, Zwick). Bereits 1969 übernahm Bernd „Nossi“ Noske den Platz am Schlagzeug. „Birth Control“ war schon zu jener Zeit bekannt für Rock ohne viel Schnörkel und für hervorragende Live-Qualitäten. Neben Noske waren unter anderem Bruno Frenzel an der Gitarre/Gesang und Bernd Held an der Orgel/Gesang dafür verantwortlich. Bekanntester Song war und ist „Gamma Ray“, ein 20 – Minuten Stück, das auch auf der 74er Live-LP zu hören ist. Kritiker schrieben damals: „Man sollte sie Rockarbeiter nennen“. Besonders auf Nossi Noske traf dies zu. Sein Solo auf Gamma Ray war und ist für mich immer noch ein Highlight des Deutsch-Rock jener Jahre.
Peter Roeder schrieb in den GN: „Die Zuschauer waren begeistert und tanzten plötzlich auf den Bänken…..Die Besucher erklatschten sich drei Zugaben.“ So habe ich es auch in bester Erinnerung.
„Alquin“ war der holländischen Beitrag zum Festival im Rahmen der Deutsch-Niederländischen Kulturtage. Nachdem 1973 „Earth & Fire“ auf der Bühne dabei waren, sorgten jetzt „Alquin“ für Musik außerhalb des damaligen Rock-Mainstreams und „veranlaßten die Besucher zuzuhören. Die Kombination der Musikinstrumente (unter anderem Saxophon, Violine) wurde zuerst belächelt, dann jedoch mit starkem Beifall belohnt „, schrieben die GN.
Ein schönes Festival war es damals, trotz des Regens. Ein außergewöhnliches Ereignis in der ansonsten verschlafenen Kleinstadt, die jetzt schon eine kleine Festivaltradition vorzuweisen hatte. Ein Highlight war es damals und eine schöne Erinnerung ist es heute. Und ein bischen geprägt haben diese Events auch. Den Musikgeschmack und mehr noch das Lebensgefühl.
Nachtrag: Vor einigen Jahren war ich in der Nordhorner Alten Weberei zugegen bei einem Doppelkonzert der Bands „Guru Guru“ und „Birth Control“. Und was „Birth Control“ zu bieten hatten, war aller Ehren wert. Mit einem Nossi Noske am Schlagzeug und einigen jüngeren Musikern konnte die Band begeistern. „Gamma Ray“ erwies sich immer noch mit einem fulminanten Schlagzeugsolo als Renner des Konzerts. Nossi ist vor sechs Jahren leider verstorben. Bereits 1983 ist Bruno Fenzel an den Spätfolgen eines Stromschlags verstorben. Peter Föller spielt heute noch mit jüngeren Musikern unter dem Namen Birth Control.
Über Kommentare und eigene Erinnerungen, Meinungen und Hinweise würde ich mich sehr freuen. Und die Leser wahrscheinlich ebenso. Danke dafür.
Fotos/Copyright: Alexander Bentheim