Schlagwort-Archive: Antisemitismus

„Ein guter Mensch und ein anständiger Deutscher“ (FAZ)

Der 20. Januar ist ein bemerkenswertes Datum:

20. Januar 1942 – Auf der Berliner Wannsee-Konferenz planen Vertreter der SS und der nationalsozialistischen Ministerialbürokratie die systematische Ermordung der europäischen Juden. 5,6 bis 6,3 Millionen europäische Juden wurden Opfer des Menschheitsverbrechens.

20. Januar 2022 – Der Botschafter Israels in Deutschland und der Botschafter Deutschlands in Israel wollen im Auftrag ihrer Länderregierungen gemeinsam gegen die Leugnung und Trivialisierung des Holocaust angehen. In einem Beitrag für den „Tagesspiegel“ der beiden Botschafter heißt es, die Leugnung historischer Fakten des Holocaust sei nicht nur ein Angriff auf die Opfer der Vernichtung und ihre Nachkommen, auf Jüdinnen und Juden in aller Welt und den Staat Israel. Es sei auch ein Angriff »auf die Grundbedingung friedlicher Gesellschaften und friedlichen Zusammenlebens weltweit«. Die Botschafter machten auch Vorschläge für Maßnahmen zur Bekämpfung der Holocaust-Leugnung. Dazu gehören eine einheitliche Definition von Antisemitismus, Investitionen in Bildung und Aufklärung sowie Maßnahmen, um zu verhindern, dass der Holocaust in den sozialen Medien infrage gestellt oder relativiert wird. Die UNO soll eine Resolution verabschieden. „Diese Resolution soll ein Zeichen der Hoffnung und Inspiration für alle Staaten und Gesellschaften sein, die für Vielfalt und Toleranz einstehen, nach Versöhnung streben und verstehen, dass die Erinnerung an den Holocaust unabdingbar dafür ist, dass sich derartige Verbrechen nicht wiederholen“, schreibt Spiegel Online heute.

20. Januar 2022: Der Schauspieler und Schriftsteller Hardy Krüger stirbt mit 93 Jahren. Ich mochte ihn nicht nur als Schauspieler, sondern besonders als glaubwürdigen Zeitzeugen. Erst vor wenigen Jahren hat mich sein Buch „Was das Leben sich erlaubt“ gefesselt; ich möchte es empfehlen. Seine Ablehnung jedes Autokraten und jeden diktatorischen Systems liegt begründet in seiner Biografie. Der Weg vom begeisterten jungen Nationalsozialisten  zum Künstler, Weltenbummler, Verfechter der Demokratie und erbitterten Gegner des Nationalsozialismus beindruckt tief.  Für Deutschlands positives Ansehen in der Welt hat er Enormes geleistet. Die Initiative Israels und Deutschlands wäre ganz in seinem Sinn gewesen.

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Zum Holocaust-Gedenktag

Bundespräsident Frank Walter Steinmeier hat im vergangenen Jahr anlässlich des Gedenktages und mit Blick auf den aktuellen Antisemitismus gesagt, dass Zeit, Worte und Täter nicht dieselben wie damals seien. „Aber es ist dasselbe Böse.“

Und auch Hanns Dieter Hüsch hat bereits vor 40 Jahren  eindringlich die Verbindung in die Gegenwart hergestellt. Hier ist sein Gedicht „Das Phänomen“. Auf Youtube kann man sich den Vortrag in verschiedenen Versionen ansehen.

Was ist das für ein Phänomen?

Fast kaum zu hören, kaum zu sehn.

Ganz früh schon fängt es in uns an:

das ist das Raffinierte dran.

Als Kind hat man’s noch nicht gefühlt,

hat noch mit allen schön gespielt.

Das Dreirad hat man sich geteilt,

und niemand hat deshalb geheult.

Doch dann hieß es von oben her:

“Mit dem da spielst du jetzt nicht mehr,

das möcht ich nicht noch einmal sehn!“

Was ist das für ein Phänomen?

Und ist man grösser, macht man’s auch.

Das scheint ein alter Menschenbrauch;

nur weil ein and’rer anders spricht

und hat ein anderes Gesicht.

Und wenn man’s noch so harmlos meint,

das ist das Anfangsbild vom Feind:

“Er passt mir nicht, er liegt mir nicht,

ich mag ihn nicht und find ihn schlicht

geschmacklos und hat keinen Grips –

und ausserdem: sein bunter Schlips!“

Dann setzt sich in Bewegung leis

der Hochmut und der Teufelskreis.

Und sagt man was dagegen mal,

dann heisst’s: „Wer ist denn hier normal,

ich oder er, du oder ich?

Ich find‘ den Typen widerlich!“

Und wenn du einen Penner siehst,

der sich sein Brot vom Dreck aufliest,

dann sagt ein Mann zu seiner Frau:

“Guck dir den Schmierfink an, die Sau!

Verwahrlost bis zum dorthinaus –

ja, früher warf man die gleich raus.

Und heute muss ich sie ernähren,

und unsereins darf sich nicht wehren.

Und auch die Gastarbeiterpest,

der letzte Rest vom Menschenrest,

die sollt’ man alle, das tät gut,

Spießruten laufen lassen bis auf’s Blut!“

Das ha’m wir doch schon mal gehört.

Da hat man die gleich streng verhört,

verfolgt, gehetzt, und für und für

ins Lager reingepfercht,

und hier

hat man sie dann erschlagen all!

Die Kinder mal auf jeden Fall.

Die hatten keinem was getan.

Was ist das für ein Größenwahn?

Das lodert auf im Handumdreh’n,

und ist auf einmal Weltgescheh’n.

Denn plötzlich steht an jedem Haus:

“Die Türken und Zigeuner raus!“

Nur weil kein Mensch derselbe ist,

und weiß und schwarz und gelbe ist,

wird er verbrannt, ob Frau, ob Mann.

Und das fängt schon von klein auf an.

Und wenn ihr heute Dreirad fahrt,

ihr Sterblichen, noch klein und zart.

Es ist doch eure schönste Zeit

voll Phantasie und Kindlichkeit.

Lasst keinen kommen, der da sagt,

dass ihm dein Spielfreund nicht behagt!

Dann stellt euch vor das Türkenkind,

dass ihm kein Leids und Tränen sind.

Dann nehmt euch alle an die Hand,

und nehmt auch den, der nicht erkannt,

dass früh schon in uns allen brennt,

das, was man den Faschismus nennt.

Nur wenn wir eins sind überall,

dann gibt es keinen neuen Fall

von Auschwitz bis nach Buchenwald!

Und wer’s nicht spürt, der merkt es bald.

Nur wenn wir in uns alle sehn,

besiegen wir das Phänomen!

Nur wenn wir alle in uns sind:

…fliegt keine Asche mehr im Wind…!

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