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Mit Visionen in die Schule gehen

Alles richtig gemacht! Nicht sehr oft kann das bei den Entscheidungen und Projekten am Ort gesagt werden, aber hier trifft es zu. Es war und bleibt die vielleicht wichtigste Entwicklung dieser Zeit für unsere Stadt.

Mit dem Neubau der Grundschule an der Brennereistraße, und der damit verbundenen Einkaufszentrumentwicklung an der Marktstraße,  ist ein modernes Schulzentrum entstanden. Und alle gemeinsam können sehr zufrieden sein. Selbstverständlich zunächst  die von Beginn an überzeugten Projektplaner und -unterstützer in Rat und Verwaltung, die unbeirrt gegen Widerstände  für die richtigen Beschlüsse gesorgt haben. Und selbstverständlich die Eltern- und Lehrerschaft der Johannesschule und Grundschule Marktstraße. Dann aber auch die zunächst Zögerlichen, die Bildungssparfüchse und Bedenkenträger. Auch wenn sie sich –glücklicherweise (!) – nicht durchsetzen konnten, so haben sie doch letztendlich mit kritischer  Unterstützung  zum  Gelingen beigetragen. Beispielsweise zur Punktlandung beim Kostenrahmen von 5,2 Millionen Euro. Und sie haben uns allen erspart, diese Weichenstellung mit knappen Mehrheiten treffen zu müssen. Freuen wir uns gemeinsam über die Schule, das Schulzentrum und  die damit verbundenen städtebaulichen Entwicklungen. Gelegenheit dafür gibt es  für Bentheimer und Gäste, die Inspirationen  suchen,  am morgigen Samstag beim Tag der Offenen Tür in der Brennereistraße.

Schon ein Blick auf die Außenflächen mit den sensationell vielfältigen Spiel- und Aufenthaltsflächen (nur Ausschnitte  auf Foto 1), in den Hang hineingebaut und mit überzeugenden Lösungen im Detail (Foto 2) begeistert:

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Auch am Burggymnasium wurde und wird kräftig investiert und der Schulstandort somit für die kommenden Schülergenerationen ausgebaut. Die neue Sporthalle wird dazu beitragen, dass nicht nur die Grundschüler die Schule ganz anders erleben, als es noch vor einigen Jahren der Fall war.

Alles neu, alles gut? Schön wäre es, aber davon sind wir weit entfernt. Auch wenn wir vor Ort unsere Hausaufgaben machen und für die besten Voraussetzungen sorgen, so bleibt dennoch viel zu verbessern. Der „Frankfurter Zukunftsrat“ hat vor Jahren mit 19 Thesen zur Zukunft der Schule eine aus meiner Sicht bemerkenswerte und immer noch aktuelle Leitlinie vorgelegt. Wenn wir vor Ort, auf Stadt- und Kreisebene, mit den eingeschränkten, gleichwohl aber vorhanden Mitteln im Sinne der Thesen an dem Rad mitdrehen können, dann sollten wir es tun! Hier die wesentlichen Auszüge:

„- Die bisherigen Reformen im Bildungswesen sind an den wichtigsten Personen, den Lehrern, vorbeigegangen…. Bisher haben sich die Reformen weitgehend auf die Veränderung von Strukturen beschränkt; um die Veränderung der Personen, die die Strukturen mit Leben füllen sollen, die Lehrer, hat man sich wenig gekümmert.

– Den Mittelpunkt aller Anstrengungen bildet bisher das akademische Lernen; die Persönlichkeitsbildung findet nur unzureichend Beachtung. Zu viele Kinder leiden an einem Mangel an Zuwendung von Erwachsenen und an einem Mangel an gestalteter Gemeinschaft. Die Chancen für Kinder aus bildungsfernen Schichten, eine höhere Bildung zu erlangen, bleiben gering. Die Integrationsförderung von Kindern ausländischer Herkunft gelingt nur bedingt, auch die Förderung und Charakterbildung der Hochbegabten aller Schichten bleibt unzureichend.

– Eine Ursache vieler Defizite liegt in dem einseitigen Bildungsbegriff der deutschen Bildungspolitik. Sie reduziert Bildung technokratisch auf Kompetenz und Wissenserwerb. Die Bildung der Persönlichkeit von Kindern und Jugendlichen bleibt weitgehend der Familie überlassen, die diese Aufgabe oft nur noch unzureichend erfüllen kann.

– Bildung heißt, sich Werte, Wissen und Können aneignen, um daraus Orientierung für das Handeln zu gewinnen. Wer bildet, muss sich des Menschenbildes versichern, dem er folgt. Wenn Bildung gelingt, führt sie zu einer Haltung, wie man der Welt und anderen Menschen begegnen sollte. Kinder erwerben Bildung durch Nachahmung von Vorbildern, durch Anleitung von Erwachsenen, durch gestaltetes Zusammenleben, durch alle Formen des Spielens (Sport, Theater, Musik und anderes) und durch akademisches Lernen. Dabei spielt der Erwerb von Sprachkompetenz eine zentrale Rolle.

– Die Vorschläge des Zukunftsrates konzentrieren sich auf die Schule. Diese soll über ihren bisherigen Bildungsauftrag hinaus dafür sorgen, dass Lehrer sich jungen Menschen innerhalb und außerhalb des Unterrichts intensiv zuwenden können, um das Selbstwertgefühl von Kindern und Jugendlichen zu stärken.

– Alle Kinder und Jugendlichen in Deutschland müssen an jedem Schultag eine lebendige Gemeinschaft finden, die ihnen hilft, Vertrauen in die eigenen Kräfte zu gewinnen und zu lernen, respektvoll miteinander umzugehen.

– Alle Kinder und Jugendlichen in Deutschland müssen die Sprache, zentrales Medium der Bildung, in Wort und Schrift beherrschen. Zur Förderung der deutschen Sprache und der interkulturellen Kompetenz müssen eigene Programme entwickelt werden.

* ….Lehrer….Sie sollten sich nicht nur als „Unterrichter“ verstehen, sondern zu „Menschenbildnern“ werden. Sie müssen bereit sein, Vorbilder für junge Menschen zu sein und ihnen über den Unterricht hinaus als Ratgeber, Förderer, Kritiker und Wegweiser zu dienen.

– Kein Kind geht verloren, an das ein Lehrer glaubt. Um aber an ein Kind glauben zu können, müssen Lehrer Gelegenheit haben, die Kinder in ihren Stärken zu entdecken. Das können sie besser, wenn sie Kinder nicht nur im Unterricht, sondern auch in anderen Zusammenhängen erleben. Die Veränderung von Strukturen ist notwendig, aber nicht ausreichend, um die genannten Defizite zu beheben. Kinder brauchen die Zuwendung und die Zeit von Menschen, die ihren Glauben an die eigenen Begabungen stärken.

– Die beste Möglichkeit, den Bildungs- und Erziehungsauftrag in gleicher Weise zu erfüllen und allen Kindern und Jugendlichen gestaltete Gemeinschaften und Zuwendung von Erwachsenen zu sichern, ist die Ganztagsschule.

–  Die Schulen müssen so eingerichtet werden, dass sich Lehrer und Schüler gern auch am Nachmittag dort aufhalten.

– Die Aus- und Fortbildung von Lehrern muss grundlegend erneuert werden. Lehramtsstudierende müssen dahin geführt werden, ihre grundsätzliche Eignung für den Lehrerberuf im Laufe des Studiums zu prüfen.

– In Deutschland muss die Ganztagsschule flächendeckend und verpflichtend eingeführt werden.*Ganztagsschule heißt mehr als den ganzen Tag Schule! Ganztagsschule heißt nicht den ganzen Tag Unterricht, sondern morgens Unterricht, gemeinsames Mittagessen und am Nachmittag Hausaufgaben, Förderunterricht, Spiel und Erlebnispädagogik: Theater, Sport, Musik, handwerkliche Arbeit, Schülermitverantwortung, Unternehmungen in der Natur, schöpferische Medienarbeit, wirtschaftliche Schülerunternehmen, Raum für Stille.

– In der Ganztagsschule werden Kinder und Jugendliche von Lehrern ganzheitlich gefördert. Eine entscheidende Bedingung muss dafür allerdings erfüllt sein: Wer morgens unterrichtet, muss auch am Nachmittag Schüler betreuen, mit ihnen Hausaufgaben machen, Förderunterricht geben und Partner im Spiel und bei anderen Tätigkeiten sein.

– Durch die flächendeckende Einführung der Ganztagsschule gewinnt Deutschland den Anschluss an Europa. Der internationale Vergleich zeigt: Dieses Schulmodell ist erfolgreich und ein Gewinn für alle — Kinder, Eltern und Lehrer. Konzeption und Wirklichkeit vieler Ganztagsschulen, die es in Deutschland schon gibt, sind so überzeugend, dass immer mehr Eltern ihre Kinder gerne solchen Schulen anvertrauen, in die die Kinder und Jugendlichen auch selber gern gehen. „

Das sind hehre Ziele, das sind Visionen. Und in der Politik wird immer wieder kolporiert, dass man doch zum Arzt gehen möge, wenn man Visionen habe. Aber war nicht noch vor kurzem ein Schulzentrum mit neuer Grundschule in der Brennereistraße auch nur eine Vision? Wünschenswert zwar, aber doch auf absehbare Zeit nicht zu realisieren? Also: vergessen wir die Patholisierung von Visionen. Die Arbeit an  Visionen  dürfte  Pflichtaufgabe der Politiker auf allen  Ebenen sein!

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