„Aus Angst wird Unmut, aus dem schließlich Wut entsteht“. So beschreibt Olaf Sundermeyer die Ursachen für das Erstarken von Pegida und schließlich der AFD im Osten. Der 46-jährige Dortmunder hat sich einen Namen gemacht als investigativer Journalist für den Rundfunk Berlin Brandenburg und als Autor. Seine Schwerpunkte: Organisierte Kriminalität (Buch „Bandenland-Deutschland im Visier von organisierten Kriminellen“) und Rechtsextremismus (Bücher „Rechter Terror in Deutschland“ und „Gauland-Die Rache des alten Mannes“). Zuletzt war Sundermeyer als Gast in der Sendung „Hart aber fair“ am vergangenen Montag zu sehen. Thema war die Clankriminalität. Vorher zeigte die ARD Sundermeyers Reportage „Beuteland-Die Millionengeschäfte krimineller Clans“. Als kenntnisreicher Experte war er Mittwochabend in Nordhorn zu Gast. „Stresstest für die Demokratie-Deutschland nach dem Rechtsruck“ war Titel der Lesung mit Diskussion in der Stadtbibliothek.
Nachgezeichnet wurde zunächst die Entwicklung der rechten Szene im Osten mit Pegida und rechtsextremen Szenen und Gruppen, aus denen sich die AFD als parlamentarischer und „bürgerlicher“ Arm entwickelte. Zentrale Figur war und ist noch Alexander Gauland, den Sundermeyer als alten, kranken und depressiven Mann beschreibt, der mit großem politischen Erfahrungsschatz aus seiner Laufbahn in der CDU die AFD auf Augenhöhe mit der CDU bringen will. Daraus soll nach Gaulands Plänen eine Zusammenarbeit der AFD mit der CDU erwachsen und es sollen als nächstes die Rathäuser erobert werden. In den östlichen Bundesländern treten genau die Entwicklungen aktuell so ein, wie Gauland sie seit Jahren geplant und damit auch gar nicht hinter dem Berg gehalten hat. Den Marsch durch die Institutionen hat er sich übrigens von den Grünen abgeguckt, die er seit den 1980er Jahren in Frankfurt aus nächster Nähe als CDU-Funktionär erlebte. Dazu gehören auch gezielte Tabubrüche („Vogelschiss“) und die Etablierung einer Doppelspitze. Gauland als Brandstifter, auf dessen Worte Taten der Rechtsextremisten folgen.
Die Rechtsextremisten der NPD und deren Organisationen oder Pegida spielen im Westen keine wirkliche Rolle. Die AFD dagegen -im Osten als rechtsradikal einzustufen- hat bekanntlich bei Wahlen zu Länderparlamenten auch in westlichen Bundesländern erhebliche Stimmenanteile verzeichnen können. Aber warum können die Rechten unabhängig von ihrem radikalen, gewalttätigen oder bürgerlichen Auftreten in Teilen der Republik wie hier bei uns in der Grafschaft nicht Fuß fassen? Sundermeyer macht dafür eine funktionierende Zivilgesellschaft verantwortlich. Die Menschen entwickeln daraus eine Immunität. Als gegenteiliges Beispiel nennt er Landschaften und Orte im Osten, in denen es nicht einmal eine Kneipe, eine Kirchengemeinde oder Treffpunkte gibt, in der sich Menschen begegnen, diskutieren und überhaupt das Zusammenleben gestalten können. Einschränkend nennt er Negativbeispiele für das Erstarken rechten Gedankenguts und der AFD auch in unserer Nähe, nämlich in der Bundeswehr und der Polizei.
Sundermeyers ernüchternde Analyse auf den Punkt gebracht: Die NPD hat in den östlichen Ländern die Kraft für Großdemonstrationen, Rechtsextremisten erobern die Orte, die AFD erstarkt im Osten als Volkspartei, kann als rechtsradikal bezeichnet werden und steht davor, Rathäuser zu erobern. Und in der Ost-CDU gibt es im Gegensatz zur West-CDU eine hohe Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der AFD. Diese Tendenzen werden sich unabhängig von Gaulands Abgang verstärken.
Das sind ganz schlechte Aussichten, und zwar nicht nur für den Osten. Die Diskussion, wie wir dem am Ort, in unserem Ort begegnen können, muss (weiter) geführt werden, wenn wir nicht später den möglichen Entwicklungen hinterherlaufen wollen.