Es geht ums Schulessen, und um viel mehr!

Die öffentliche Diskussion um das Schulessen in der Grafschaft wird bereits seit dem letzten Jahr geführt. Angesichts der Themen, die ansonsten in der Öffentlichkeit und besonders in den Räten der Städte und Kreise geführt werden (Stichworte: Rabenkrähenbejagung, Abfallbehältergröße), ist die Aufmerksamkeit für ein soziales Thema, das besonders Kinder und Jugendliche betrifft, positiv zu bewerten. „Kostenloses Mittagessen löst die Probleme nicht“ ist die Kernaussage der Kreisverwaltung in der aktuellen Diskussion. Und das ist ebenfalls meine These, die ich in einem  Grundsatzpapier nach längerer Recherche bereits im März dieses Jahres formuliert und begründet habe und das  zunächst ausschließlich für die interne Auseinandersetzung zur Verfügung stand.  Heute möchte ich es kommentierend öffentlich machen, denn diese Diskussionen  sollen meiner Überzeugung nach zu konkreten Verbesserungen   führen.

Es gibt bei uns glücklicherweise keine hungernden Kinder. Das liegt auch daran, dass an den Schulen unkonventionell gehandelt und geholfen wird. Es liegt auch daran, dass Kinder sich außerhalb des Schulessens ernähren und vor allen Dingen daran, dass in immer mehr Familien abends gegessen wird. Die Tatsache, dass Kinder, die am Ganztagsangebot teilnehmen, nicht zum Mittagessen angemeldet werden und keine Verpflegung in der Schultasche haben, ist noch lange kein Indiz für hungernde Kinder. Auf den zweiten Blick ist gleichwohl deutlich erkennbar, dass wir in vielen Fällen von Fehlernährung und in einigen Fällen auch von Mangelernährung sprechen müssen.  Allein dies wäre und ist Grund genug zum Handeln!

Etlichen Familien ist das Schulessen zu teuer. Und dies, obwohl bei Zuschussberechtigten ein Eigenanteil von 1 € pro Essen anfällt, also 4 € bei viertägiger Teilnahme pro Woche am Ganztagsprogramm oder 16 € im Monat. Gerade bei mehreren schulpflichtigen Kindern in der Familie werden diese Summen für einige Eltern zum Argument. Das kann man teilen – oder auch nicht und dabei auch noch auf das übliche Konsumverhalten in Familien verweisen. Das allein ist nicht lösungsorientiert und führt zunächst zu gar nichts.

Das wesentliche Problem für Familien, die ihre Kinder nicht ausreichend oder nicht richtig ernähren liegt woanders. Ich sehe mangelnde Fürsorge, ein Verantwortungsproblem. Das fehlende Essen ist nur ein Symptom für andere familiäre Probleme. Wo Kinder nicht ausreichend ernährt werden, finden sie möglicherweise auch nicht ausreichend emotionale Zuwendung, gibt es Betreuungs- und Aufsichtsprobleme und andere Problematiken.  Und die Lösung dieser Problematiken kann nicht darin liegen, isoliert einmal am Tag in der Schule ein kostenloses Mittagessen auszugeben. Vielmehr ist ein breiterer, helfender und unterstützender Ansatz sinnvoll. Eine der Ansatzpunkte neben anderen Maßnahmen  für effektivere Hilfen für diese Kinder und deren Familien ist Schulsozialarbeit an allen Schulen. Auch und gerade an den Grundschulen. Sie, die Schulsozialarbeiter haben über die Schule einen Zugang zu den Familien, können einwirken, den Kontakt zu den Hilfesystemen herstellen. Sie können, sofern die Rahmenbedingungen, Aufgabenbeschreibungen und Stellenbemessungen ausreichen,  insgesamt an den Problemlagen der Familien ansetzen. Sie können langfristig dazu beitragen, dass es den betreffenden Familien und Kindern besser geht.

Die Familienbildungslotsen, die im Auftrage vom Bund und mit Unterstützung des Landkreises einen Teil dieser Aufgaben  bereits durchführen (Bildungs- und Teilhabepaket), stellen ihre Tätigkeit im Frühjahr 2014 ein. Die Finanzierung läuft aus. Kontakte zu vielen Familien, die einer Unterstützung bedürfen, werden dann gekappt. Das ist Folge einer zu kurzfristig angelegten Sozialpolitik, die natürlich mit Blick auf die Kosten betrieben wird. Die langfristigen monetären und gesellschaftlichen Kosten durch Mangelbetreuung von Multiproblemfamilien fließen nicht in die Überlegungen ein. So läufts, wir wissen es ja. Die Alternative kann nur das Bohren dicker Bretter sein, übrigens in allen Parteien. Denn die Forderung nach Einstellung von Schulsozialarbeitern trifft zwar zumindest in meiner Partei auf wohlwollendes Verständnis, führt aber auch zu Verweisen auf den Finanzhaushalt des Landes. Im SPD Regierungsprogramm 2013 – 2018, und zwar in der vor der Landtagswahl publizierten Fassung, heißt es wortwörtlich: “ Gute Schule…ergänzt das pädagogische Konzept mit präventiver Hilfestellung durch Schulsozialarbeiter, Psychologen und Beratungslehrer für alle Schulformen. Dabei ist verlässliche, schulische Sozialarbeit eine Landesaufgabe.“ Das Land sollte seine Aufgaben schon erfüllen, oder nicht?

Zu den konkreten Ansätzen bei der Mittagsverpflegung in unseren Schulen gehört auch, das Bestellsystem für das Essen zu vereinfachen. An diesem System scheitern bereits zahlreiche Eltern. Der fehlende Internetzugang kann dabei Teil des Problems sein, aber auch das Verstehen zum Beispiel aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse. Der Beitragseinzug kann  ebenfalls zum Problem werden, das eine Teilnahme des Kindes an der Mittagsverpflegung verhindert. Was für viele Mittelschichtsfamilien, für Leute wie du und ich, zur Selbstverständlichkeit geworden ist, nämlich Onlinebestellungen und Beitragseinzug, ist für andere Bevölkerungsgruppen ein simpler Ausschlussgrund. Es fehlen schlicht die Kompetenzen hierfür.

Ein weiterer Aspekt ist die Qualität des Essens. Wenn es nicht schmeckt, wird  das Angebot auch nicht genutzt. Das würde mir auch nicht anders gehen. Bei den Qualitätsprüfungen sollten die Kinder einbezogen werden, denn es geht schließlich um sie.

Der Kinderschutzbund hat ein drängendes Problem aufgegriffen und eine wichtige Diskussion angeschoben. Wir alle gemeinsam, engagierte Sozialarbeiter, Lehrer- und Elternschaft, soziale Organisationen und Politiker auf allen Ebenen sollten  dafür sorgen, dass die Diskussion um die Mittagsverpflegung an unseren Schulen in konkrete Verbesserungen insbesondere für Familien mit Unterstützungsbedarf führt und darüberhinaus das Schulessen an unseren Schulen noch besser in vielerlei Hinsicht wird. Und wir können auch richtig grundsätzlich werden: die „richtige“ Ganztagsschule muss kommen! Zum Thema Visionen verweise ich gerne auf den Schluss meines Blogs vom 31. Mai.

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