Meldungen von gewalttätigen und kriegerischen Konflikten, von Armut und Unterdrückung, von Not und Elend erreichen uns täglich. Menschen, die als Folge von Vertreibung und Flucht zu uns kommen verdienen unser Mitgefühl, Solidarität, Unterstützung – sie verdienen schlicht eine anständige Behandlung und Unterstützung in ihrer außergewöhnlichen Lebens- und Notsituation!
Und das wird in der Grafschaft von breiten Bevölkerungsgruppen, von Verwaltungen und Politik auch genau so gesehen und als Aufgabe begriffen. Ausdruck dafür ist beispielsweise das Treffen engagierter Bürger in unserem Rathaus (ich habe in meinem Blog am 13.11. darüber geschrieben). Jetzt hat sich aktuell gestern Nachmittag der Kreistag ausführlich mit der Thematik auseinandergesetzt. Vorausgegangen waren Anfragen der Kreistagsfraktionen in Form umfangreicher Fragenkataloge. Hier nun auf der Grundlage der ausführlichen Antworten der Fachabteilungen in der Kreisverwaltung einige beschreibende und persönlich bewertende Informationen und Gedanken zu den Themenkomplexen Unterbringung, Sprache und Betreuung.
Unterbringung: Sammel- und Notunterkünfte dürfen stets nur die letzte und vorübergehende Unterbringungsform sein. Abgesehen von der Tatsache, dass diese Unterbringung wirklich nicht als „anständig“ bezeichnet werden kann, birgt sie hohe Konfliktpotential für die Bewohner und die Gesellschaft. Wohnraum mit Mindeststandards hinsichtlich Fläche pro Person und Zustand (sauber und warm) in den Stadt- und Ortsgebieten ist gefragt. Mir hat ein Ausspruch unseres Bentheimer Bürgermeisters kürzlich beim Treffen zum Thema im Rathaus außerordentlich gut gefallen: „Jede Nachbarschaft kann eine Flüchtlingswohnung verkraften“. Wir Bentheimer/Grafschafter sind immer besonders stolz auf unsere Nachbarschaftstraditionen mit Zusammenhalt und Hilfe. Wir können dies auch in diesem Kontext beweisen. 2014 sind 304 Asylbewerber in die Grafschaft gekommen. Bis Mitte November wurden 39 von ihnen Bad Bentheim zugewiesen. 21 weitere sollen noch folgen. Ihnen geeigneten Wohnraum bieten zu können ist eine große und schwierige Aufgabe für unsere Stadtverwaltung. Bürgerschaft und Einrichtungen und Organisationen müssen unterstützend tätig werden.
Sprache: Sprache als Schlüssel zur Integration muss ganz hohe Priorität haben. In den Kindergärten werden die Kinder nach landesrichtliniengerechten Kursen, finanziert von Land und Landkreis, beim Spracherwerb unterstützt. Für die Sprachförderung der Schulkinder sind grundsätzlich die Schulen zuständig, die aufgrund bekannter Umstände damit vor Problemen stehen. Die VHS Grafschaft Bentheim organisiert und führt die Sprachförderung der Kinder durch. 117 Kinder haben im vergangenen Jahr in der Grafschaft eine Deutschförderung erhalten. An den Integrationskursen für Erwachsene mit Deutschunterricht haben allein in einem Vorjahressemester bei der VHS 159 Personen teilgenommen. Immerhin, aber für den Spracherwerb auch der Erwachsenen sind weitergehende Anstrengungen erforderlich, die neben Kurs- und Schulangeboten auch Alltagshilfen umfassen. Gelder für Initiativen stehen nach Auskunft des Landrates bereit, müssen nur abgerufen werden. Ich halte es für besonders hilfreich und dankenswert, dass sich kürzlich bei dem Runden Tisch im Bentheimer Rathaus ehemalige Lehrer/-innen bereit erklärt haben, Flüchtlingen Sprachunterricht zu geben.
Betreuung: Der Landkreis finanziert zur Zeit 2 Sozialarbeiterinnen, die die praktische Arbeit in den Städten und Gemeinden unterstützen. Zusätzlich wird die Koordinierungsstelle Migration und Teilhabe ausgebaut. Das reicht nicht aus bei prognostizierten 321 Asylerstanträgen kreisweit in 2015, die zu den bisher dann nicht ausgereisten Asylanten hinzukommen. Die örtlichen ehrenamtlichen Integrationshelferinnen, auch die Sozialamtsmitarbeiter und helfende Bürgerinnen benötigen auch professionelle Unterstützung. In Bentheim und an anderen Orten haben sich inzwischen viele Menschen zusammengefunden, die helfen wollen. Diese Hilfsbereitschaft ist ein hohes Gut, das gefördert werden muss. Nicht unbedingt finanziell, sondern auch mit sächlichen und organisatorischen Unterstützungen, mit Know-How und nicht zuletzt durch Anerkennung.
Auf Anregung der SPD werden sich in nächster Zukunft nicht nur politische Gremien wie der Sozialausschuss des Landkreises oder die Treffen der Hauptverwaltungsbeamten und der Sozialamtsleiter mit dem Thema befassen, sondern es wird auch ein Treffen der Fachleute, der zuständigen Verwaltungsmitarbeiter aus den Orten und der Politiker geben. Die Herausforderungen müssen gemeinsam gemeistert werden, Absprachen und Koordinationen auf breiter Informationsbasis sind dafür Voraussetzungen.
Und zu den Kosten einige abschließende Bemerkungen: Laut Haushaltsplanentwurf des Landkreises muss mit einem Defizit = Zuschussbedarf für diesen Bereich in Höhe von 2,68 Millionen Euro für 2015 gerechnet werden. Davon werden auch die Unterkunftskosten in Wohnungen beglichen. Die Städte und Gemeinden sind zwar zur Unterbringung verpflichtet, die Kosten werden ihnen jedoch erstattet. Anstand kostet also auch in einer Zivilgesellschaft, die es sich leisten muss und kann – und aufgrund ihres Selbstverständnisses auch will.