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Schule, die Spaß macht – Gedanken zum Schulstart in diesen Tagen

Am Samstag war es mal wieder soweit:  Über 1100 Grafschafter Kinder wurden eingeschult. „Der Ernst des Lebens“ durfte beginnen. So wurde zumindest vor  über 50 Jahren geredet, als ich erstmals durch diese Tür  (Foto) eine Schule betreten durfte. Einiges hat sich seitdem in der Schullandschaft getan und dennoch sind wir von einer Schule, die den Kindern, Eltern, der Gesellschaft und auch den Lehrern gerecht wird weit entfernt. Mehrfach habe ich in meinem Blog  den meines Erachtens enormen Reformstau in der Bildungslandschaft beschrieben, so beispielsweise am 31. Mai 2013. In dem Blogeintrag unter der Überschrift „Mit Visionen in die Schule gehen“ habe ich auf die „19 Thesen zur Zukunft der Schule“ des Frankfurter Bildungsrates  hingewiesen. Erschreckend wenig hat sich seitdem getan. Einige Beispiele:

Kindern aus bildungsfernen Schichten und/oder mit Migrationshintergrund müssten bessere Chancen gegeben werden, Begabungen müssen stärker ausgeschöpft werden.  Das ist ein dringendes soziales, ethisches, bildungspolitisches und ökonomisch bedeutsames Erfordernis. Es bleiben viel zu viele Bildungsverlierer zurück. Und begabte und besonders begabte Kinder müssen aus denselben Erfordernissen stärker gefördert werden.

Fächerübergreifende Kompetenzen werden wichtiger gegenüber dem Spezialwissen in einzelnen Fachgebieten. Schlüsselqualifikationen, die ausgebaut werden können, gewinnen an Bedeutung.

Das gegliederte Schulsystem muss verbessert werden. Ganztagsschulen mit einem umfassenden Angebot, das neben dem Wissenserwerb in Schulfächern die Kinder im künstlerischen, sportlichen, kulturellem und sozialen Bereich fördert sollte die Zukunft gehören. Schule, die Spaß macht und auf das Leben vorbereitet müsste das Ziel sein. Wir sind erschreckend weit davon entfernt! Stattdesssen gilt trotz aller begrüßenswerten Verbesserungen noch der eingangs erwähnte Spruch vom „Ernst des Lebens“.

Und natürlich müssten Lehrer auf diesem Weg mitgenommen werden. Stundenausfälle, Abordnungen, Zeitverträge, unzureichende Entlohnung im Primarbereich, unbesetzte Leitungsstellen-es gäbe viel zu tun.

Sind das unrealistische Erwartungen? Utopien oder Visionen? Bildungspolitische Träumereien, die ohnehin nicht am Ort umzusetzen sind? In einigen Bereichen bedauerlicherweise schon, in anderen Bereichen lassen sich auch am Ort Weichen für eine bessere Zukunft der Schule stellen. Immerhin schicken wir uns in Bentheim an, eine neue Sekundarschule zu bauen, nachdem wir erst vor einigen Jahren eine neue Grundschule gebaut haben und der Landkreis erheblich in ein modernes Burggymnasium investiert hat. Somit besteht immerhin die Chance, wesentlich verbesserte Voraussetzungen für eine zukunftsfähige Schule schaffen zu können. Natürlich können wir am Ort am Rädchen mitdrehen! Der große Schwung  müsste aus anderer Richtung kommen, wird jedoch vorausichtlich ausbleiben und durch eine Politik der kleinen Schritte ersetzt. Ein Millardenprogramm hier und zusätzliche Einstellungen dort. Aber Kinder, die sich auf die Schule freuen, dort wirklich für ihr Leben lernen und einen Abschluss erreichen, der ihren Begabungen und Interessen entspricht-das bleibt eine Vision.

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Angst oder Liebe

„Was weiß schon die Schule von den wahren Bedürfnissen der Kinder?“ Und: „Die Verkürzung des Lebens auf das Ökonomische ist ein großer Fehler“ (Thomas Sattelberger, Personalvorstand der Deutschen Telekom). Den zwei Thesen aus dem Dokumentarfilm „alphabet – Angst oder Liebe“ stimme sicher nicht nur ich voll und ganz zu. Der österreichische Dokumentarfilmer Erwin Wagenhofer kritisiert darin eindrucksvoll, das Leistung zum unerbittlichen Maß aller Dinge bereits in der Schule wird. Sein Statement:

  • Die Fixierung auf normierte Standards beherrscht den Unterricht. Leistung, Prüfungsstress, Dauerdruck und Angst stehen einseitig im Vordergrund. Spielerische Kreativität verkümmert, wie auch Zuwendung, Vertrauen und Liebe für das Kind. Bildung sollte mehr sein.

Einige weitere bemerkenswerte Kernaussagen:

„Sie können keinen Menschen zwingen, sich zu bilden, sie können ihn nur einladen“ Prof. G. Hüther, Hirnforscher

„Die Fähigkeit zu unangepasstem Denken, was bedeutet, das es auf eine Frage mehr als eine Antwort geben kann, besitzen 98 % der Kindergartenkinder, aber im Laufe der heutigen Schulbildung nimmt diese Fähigkeit kontinuierlich und radikal ab.“ (Sir Ken Robinson, International anerkannter Bildungsexperte und Erziehungswissenschaftler)

„Schaffen wir die richtigen Bedingungen in unseren Schulen, schätzen wir alle Lernenden für das, was sie sind, und zwar aufrichtig. Dann entsteht Wachstum.“ (Sir Ken Robinson)

Besonders das letztgenannte Zitat führt zu den Bemühungen, (auch) den Lernort Schule grundlegend zu reformieren. Vor über 12 Jahren sorgten die „Leipziger Thesen“, formuliert von Sachverständigenkommissionen für den 11. Jugendbericht und der Arbeitsgemeinschaft der Jugendämter, für leider nur vorübergehende Aufmerksamkeit. Ihr Credo war „Bildung ist mehr als Schule“. Die Thesen kritisieren den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg und kritisieren, das das Deutsche Bildungssystem soziale Ungleichheit verstärkt. Die Leipziger Thesen fordern  weiterhin und unter anderem Chancengleichheit für Migranten und mehr Ganztagsangebote.

Einiges wurde auf den Weg gebracht wie beispielsweise der Ausbau der Ganztagsschule und neuerdings auch der Schulsozialarbeit. Aber es bleibt ein mühsames Ringen in der deutschen Kleinstaaterei und im Reich der Bewahrer eines lange überholten Systems. Bildungspolitik bleibt eines der Politikfelder, in denen mehr Radikalität wünschenswert ist, weil es um die Zukunft von Menschen geht. Beiträge wie die leider in Vergessenheit geratenen Leipziger Thesen und wie der Dokumentarfilm  „alphabet-Angst oder Liebe“ verdienen es, stärker wahr genommen zu werden.

Den Film möchte ich allen an Bildungspolitik Interessierten in Politik (Kongressen und Tagungen) und Schulen (zum Beispiel für schulinterne Fortbildungen) und auch Eltern wärmstens empfehlen. Erste Infos gibt es auf der Homepage http://www.alphabet-film.com

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